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the empyrean
Wir können morgen wieder vernünftig sein. Oder übermorgen. Oder am Tag danach.
Qhiona Tharavyn

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Die Frage nach der Kleidung hab’ ich somit geschickt umgangen, nehme nur nach zwei weiteren Schritten kurzzeitig an Geschwindigkeit auf, wie’s der Takt verlangen würde, wäre hier Musik und nicht nur das Trommeln meines Herzens, das in meinen Ohren ohnehin so laut rauscht, dass es unser Orchester sein könnte
‐ Ezekiya Thalor

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Charaktere von Berrie


Reiterin
21 Jahre alt
Du spürst den Boden unter dir; er ist hart und kalt, kleine Steine bohren sich in die Innenfläche deiner Hände, die du über den Untergrund wandern lässt. Das wird ein blauer Fleck, denkst du dir, ziehst die Beine an den Körper und richtest dich in einer seitlichen Bewegung auf. Kiesel rieseln von deiner schwarzen Uniform, eine Stelle des Leders ist gerissen und wird dich zu viel kosten, sie reparieren zu lassen. Du weißt, was das bedeutet: eine weitere Nachtschicht, ein weiterer Tag, der dich in deiner Müdigkeit verzehren wird. Im Wind löst sich eine der blonden Strähnen, die du streng im Dutt zurückgebunden hast. Soll keine weitere, unnötige Schwachstelle an dir geben - neben denen, die du ohnehin für viel zu auffällig empfindest. Zu klein, zu dünn, zu fick-dich-doch - blaffst du zurück, wenn dich skeptische Blicke treffen. Hast schnell klargemacht, dass mit dir nicht zu spaßen ist. Dass du dir deinen Rang als Reiterin nicht nehmen lässt. Dass du dich nicht kleinmachen lässt. Niemand verfügt über dich. Noa überzeugt in letzter Instanz mit 8 ½ Metern Körpergröße. Außer dir hat keiner dran geglaubt, dass du bist, wo du bist - dass du bist, wer du bist. Nicht deine Geschwister, deine Eltern oder Verwandten, nur die wenigsten aus deiner Jugend. Viele haben gelacht, du hast gelächelt und gedacht: euch zeig’ ich’s noch. Hast dich nicht Mal aus der Bahn werfen lassen, als du den Leichnam deines Bruders nachhause überführt hast. Nichts und niemand wird dich von deinem Traum abbringen lassen; wird dich von deinem Drachen und der ewigen Freiheit unter den Wolken trennen. Nicht die Angst in den Augen deiner Mutter, kein Rückschlag im Training, nicht einmal die junge, aber naive Liebe hat dich einen anderen Weg wählen lassen. Du bist geschmiedet im Feuer des Schicksals, hast so lange darauf hingearbeitet, um jetzt kleinbei zu geben. Auf deinem Weg hast du Leichen hinter dir zurückgelassen. Vertraute verraten, Geliebte verlassen. Zynisches Kalkül steht dir buchstäblich auf die Stirn geschrieben. ‘Gefühlskalt’ und ‘emotionslos’ dicht dahinter. Was keinen Wert für dein Ziel hat, hat keinen Platz in deinem Leben. Strategisch ungeschlagen, zwischenmenschlich ein Debakel. Fraglich, wo du einst die falsche Abbiegung im Leben genommen hast. Wo du die Liebe und Herzensgüte deiner Familie verloren hast. Wo du die Hoffnung auf Liebe und ein friedliches Leben begraben hast.

Reiter
35 Jahre alt
Gibt nur wenige Regeln im Umgang mit Drachen. Dreh' dich nicht weg, lauf nicht davon, senke den Blick - und bete zu den Göttern, dass sie dich nicht trotzdem bei lebendigem Leib verbrutzeln. Vor über zehn Jahren hast du all diese Regeln live und in Farbe gelebt, hast am Basgiath War College zwei Mal das erste Jahr durchlebt, nachdem beim ersten Mal offenbar keiner der bindungswilligen Drachen dein Potenzial erkannt hat (O-Ton). War zunächst ein herber Schicksalsschlag für dich, war für dich immer klar, dass du ein verdammt guter Reiter werden würdest. Dass du immer eher ein Händchen für Drachen hast, die nicht deine sind, war vielleicht ausschlaggebend, vielleicht auch nicht. Hat ja aber schließlich doch dazu geführt, dass dein Leben nicht so trostlos wurde, wie angenommen. Neben deiner körperlichen Fitness war dein Köpfchen eigentlich schon immer deine stärkste Waffe. Wärst damals schon von Anfang an gut bei den Heilkundigen untergebracht gewesen, aber Menschen heilmachen war irgendwie nicht dein Ding. Drachen hingegen ... Vor 'nem Jahrzehnt hat man dich dafür belächelt, sogar ganz offen über dich gelacht. Heute flattern Briefe in deine Gemächer, Befehle und Bitten gleichermaßen, die dich durch das ganze Königreich führen, um fremder Leute Drachen zu behandeln. Manchmal wirst du der Drachenflüsterer genannt; bist der, der eine Bindung zu ihnen aufbauen kann, ohne sich zu (erneut) binden. Der Respekt von denen bekommt, die keinen Respekt vor sich selbst haben. Bist somit rastlos, nirgends wirklich heimisch, nie länger an einem Ort. Obwohl du deine Professur für Drachenkunde am Basgiath wahrnimmst, ist deine Anwesenheitsquote eher sporadisch. Bist häufig da, wo du eigentlich gar nicht sein wolltest: an Außenposten, irgendwo nahe der Grenze. Dort, wo man dich gesehen hat, kurz, nachdem die große Blaue mit dem Dolchschwanz dich gebunden und für Raunen und Aufsehen gesorgt hat. Bist auch ein ausgemachter Glückspilz: erst gar nicht gebunden werden und dann von einer der seltenen blauen, die man sich besser nicht zum Feind macht. In der Hinsicht passt ihr wirklich ausgezeichnet zueinander. Wenn du schon sonst nur selten jemanden wirklich als ‘an deiner Seite stehend’ bezeichnen kannst, bist du dir bei ihr so sicher, wie bei niemandem sonst. Dann allerdings nicht in der Front Row zu stehen und ihren Dolchschwanz in die gefiederte Brust zu kurz geratener Löwe-Adler-Mischungen zu bohren, hat überraschend nicht für Wohlwollen gesorgt. Da stehst du nun also, machst irgendwie nie das, was man von dir erwartet. Brichst mit althergebrachten Traditionen und über Jahrhunderte hinweg übermittelten Wissen. Bist experimentierfreudig, denn nur, weil was die letzten 6 Jahrhunderte geklappt hat, heißt das ja nicht zwangsläufig, dass man das nun auch so beibehalten muss. Findest du. Sonst niemand. Ist dir aber auch egal.

Reiter
31 Jahre alt
In deinen Adern fließt blaues Blut, der goldene Löffel steht dir per Geburtsrecht zu. Bist der Erste deines Namens, Sohn des großen Königs - und doch nur einer von vielen. Gibt ein ganzes Dutzend von dir; von Miniaturversionen des großen Herrschers. Ihr seid die Abziehbilder eures Vaters, hochgewachsen, blaue Augen, braunes Haar und doch ist der Thron dir ferner als jemals zuvor. Gibt ungefähr eine Million Dinge, die auf deiner “Im Leben einmal gemacht haben”-Liste vor den königlichen Audizien stehen, für die du dich mehr interessierst als höfische Etikette, rauschende Feste mit dem Adel und den jungen Damen, die in von Rüschen besetzten Kleidern an deiner Hand über das Parkett geführt werden. Bist mehr so der Pragmatiker unter deinen Geschwistern, musst etwas mit der Hand machen und fühlen um zu wissen, dass du was geschafft hast. Dass dir drei andere, verantwortungsvollere, weisere Kinder voraus sind - und auch schon selbst Kinder mit Anspruch auf den Thron haben - macht’s dir in deiner Position ziemlich leicht. War ein kleiner (großer) Schock, als du über den Viadukt spaziert bist, wie noch kein Königsanwärter zuvor. Aber du machst dir nichts vor; hast es sowieso noch nie: bis du in den Genuss der Regierungsbildung kommst, muss es schon mit den Göttern zugehen. Da war’s schon deutlich wahrscheinlicher, dass Pon dich beim Dreschen als saftiges Barbeque zubereitet, aber zu euer beider Glück, sitzt du nun seit guten zehn Jahren lieber auf seinem Rücken, als in seinem dritten Magen verdaut zu werden. Glück ist etwas, von dem du lange Zeit dachtest, es gepachtet zu haben. Warst nie mittellos, hast keinen Hunger gelitten, die besten Lehrer:innen haben für die notwendige Bildung gesorgt. Gut, die leidigen Feste waren nie so deins, aber seit deine Verlobte den Schnuller gegen Wein getauscht hat und dir mittlerweile sogar echt ans Herz gewachsen ist, ist auch das erträglich. Du hast so viel Glück, das dir die längste Zeit deines Lebens quasi selbstverständlich vorkam. Glück, das andere nicht haben. Manchmal beschleicht dich der Gedanke, ob es im Universum nur ein spezielles Maß an Glück gab und du deines mit dem der anderen anreichern würdest. Spätestens, als du das erste Mal in die roten, seelenlosen Augen geblickt hattest, wusstest du: das Glück ist dieser Tage niemandem mehr hold. War gar nicht deine Aufgabe, davon zu wissen. War das Los deines ältesten Bruders, eines Tages darüber zu befinden, wie viel die hiesige Bevölkerung von diesem Umstand wissen sollte. Bist doch nur einer von vielen Abziehbildern der royalen Familie, bist doch nur der dritte Sohn ohne realistischen Anspruch auf den Thron. Hättest doch einfach dein Leben in Ruhe und voller Glück leben können. Hättest weiter den Frieden gefeiert und beim Humpen Bier gelobpreist. Wäre doch da nicht nur das kleine Wörtchen “wenn”.

Heilerin
50 Jahre alt
Halt das.Mach das.Lass das. Dein Leben ist eine Aneinanderreihung von Imperativen, gibt keine Zeit zu zögern; der Tod wartet nicht. Ist dir in Fleisch und Blut übergegangen, zu funktionieren, ganz gleich, wie viele Leben direkt neben dir versiegen, ganz gleich, wie schwer das Geräusch von Flügeln, Feuer und Geschütz in deinen Ohren trommelt. Du funktionierst im Gleichklang der Gewalt. Irgendwann hat es eine Zeit gegeben, die friedlich war. Eine, in der du nicht das Buch der Toten eng am Körper geführt hast. Frieden ist ein Konstrukt, das sich für dich seit Jahrzehnten so fremd anfühlt, dass die Erinnerung daran einer Fantasie aus Kindertagen gleicht. Du wirst ihn so wenig erleben, wie deine Eltern es einst taten. Selbst die, die nach dir folgen, werden ihn nicht kennen. Werden wie du in ein System geboren, das nur zwei Seiten kennt: Stille oder Chaos. Hast dich nie damit abfinden können, schon immer den Weg in der Mitte gesucht. Den, der zwischen Klingen und Kehlen verläuft. Den, der weder friedlich noch gewaltsam ist. Gefunden hast du ihn bis heute nicht. Stattdessen weißt du nicht, ob du dich in dieser Suche nicht selbst verloren hast – ob du das, was so offensichtlich war, nicht sehen wolltest oder willentlich ignoriert hast. Beiseite geschoben hast für die einzige Sache, die dich atmen lässt, leben lässt, sein lässt. Für diese eine Sache, die dich ausmacht.

Du hast dein Leben einer Sache verschrieben. Der Sache. Ist für dich eine Berufung und so viel mehr als nur eine Wahl auf dem Papier. Hast damals den Weg der Heilkundigen eingeschlagen, ohne zu ahnen, wohin er dich führen würde. Hast die Nase in Bücher gesteckt, in der Hoffnung, dort die Antwort auf alle deine Fragen zu finden. Haben sie nicht – konnten sie nicht. Hast die Wahrheit auf dem Boden der Tatsachen gefunden, vergraben unter Dreck und Blut. Die zivilisierte Gesellschaft hast du mit deiner Ausbildung abgestreift, musstest sie eintauschen gegen die bittere Realität, die kein Zögern zulässt. Seither findet man dich auf den Schlachtfeldern, mittendrin statt nur dabei. Bist eine der wenigen, die von scheinbarer Todessehnsucht getrieben nicht nur die Seitenlinie hüten. Die nicht darauf warten, dass Bahre um Bahre ihr Zelt passiert. Kannst nicht abwarten und stillstehen, wenn um dich herum alles in Brand gerät.

War anfangs mehr Glück als Verstand, das dich am Leben gehalten hat. Dein Körper ist gezeichnet, schlecht vernähte Wunden bezeugen deine Prioritäten. Eines Tages wirst du das Zeitliche segnen. Deine Sachen verbrannt werden. Wirst eins werden mit dem Rad, das sich immer weiter dreht; mit dem Schicksal, das alle früher oder später einholt. Doch nicht heute. Bist Maleks Liebling, hast noch eine Aufgabe zu erfüllen. Hast das Ende deiner Bestimmung noch nicht erreicht – mit den jüngsten Ereignissen womöglich sogar gerade erst gefunden. Fiel dir zu leicht, dich zu lösen. Ist keine Loyalität deinem König gegenüber, die dich all die Jahre am Laufen gehalten hat. Ist die Loyalität dem Leben gegenüber. Dem Leben derer, die du geschworen hast, zu schützen. Den Leben, die sich nicht selbst schützen können. Große Worte und noch größere Ambitionen einer Frau, die in einer anderen Welt hinter Büchern, Tinkturen und Rezepturen besser aufgehoben wäre, als mit beiden Händen tief versunken im Torso Todgeweihter.

Diplomatin
43 Jahre alt
Das Besteck ist gold, wie der Käfig, der dich die längste Zeit deines Lebens gefangen gehalten hat. Spürst die Streben, das kalte Metall, noch unter deinen Fingerspitzen, wenn du die Hand von dir streckst. Spürst das Feuer in dir, wie es Stück um Stück zu ersticken droht. Wie es leise in dir züngelt, bis nur noch eine Idee von Nereyda übrig bleibt. Euch fehlt der Sauerstoff, buchstäblich die Luft zum Atmen, der Wind unter den Flügeln, die euch – dich und die Version von dir, die du gern gewesen wärst, aber niemals erreichen wirst – aufsteigen lässt. Stattdessen bist du gefallen, immer wieder auf dem Boden der Tatsachen angelangt. Hast immer wieder die Hoffnung in dir keimen lassen, auszubrechen, mehr zu sein, als das Abbild deiner Schwester. Irgendwann hast du das Ideal verfolgt, eine eigene Identität zu schaffen. (D)Einen eigenen Wert zu bestimmen, der über den Namen, den du trägst und das Gesicht, das dir im Spiegel begegnet, hinausgeht. Chancen hattest du viele – und keine. Sind dir durch die Finger geronnen wie die Lügen, die sich alsbald um deine Gelenke spannten, weil die Wahrheit meist so viel berechenbarer, so viel langweiliger war als das, was hinter ihr lauerte. Du hast gelernt, die Grenzen deines Käfigs auszudehnen, hast dich gegen das Gold gestemmt, überall dort, wo es dir dienlich war; und hast die Privilegien genossen, die damit einhergingen. Gab kein Spiel, in das du nicht involviert warst, keine Veranstaltung, kein Netzwerken, das dir nicht in die Karten spielte. Dass du Existenzen zerstört hast, ist nur ein weiteres kleines Kreuz auf deiner langen Agenda, die die längste Zeit kein Ziel verfolgte, außer der Tristesse zu entfliehen, die dein Leben beschrieb. Erfüllung hast du gesucht und doch erst in den Worten eines Predigers gefunden. Religion selbst war dir nie fremd, hast oft genug in der Thalora zu den Göttern aufgesehen, gehofft und doch nie gebetet, dass sie dich irgendwann erhören würden. Sie haben auf sich warten lassen. Nie hättest du gedacht, heute selbst die Gewänder anzulegen, die dich als Mitglied der Orakyn kennzeichnen. Nie hättest du gedacht, empfänglich zu sein für religiöse Splittergruppen und doch sind sie längst mehr als das. Sie – du! – haben sich in die Herzen der tyrrischen Bevölkerung geschlichen. Sie – du! – haben mit Milde und Großzügigkeit die Tyrannei, Völlerei und Ohnmacht der eigenen Regierung ausgeglichen. Du, du, bist Teil von etwas Großem. Von etwas, das Wert hat. Ob der Glaube so tief in dir verankert liegt, wie andere deiner Gruppe, mag fraglich sein, doch dein Einfluss ist ohne jeden Zweifel Gold wert. Ein bedeutungsschwerer Name – auch heute, auch, nachdem du dich offiziell von ihnen losgesagt hast –, Geld, Macht und Einfluss sind dir auch nach der Konversion geblieben, wollte man sich nie so ganz von dir trennen, die Hoffnung nicht aufgeben, dass du eines Tages in diesen goldenen Käfig zurückkehren würdest. Du hingegen bist immer noch auf der Suche nach dir selbst und dem Wert, den du in dieser Welt hinterlassen kannst. Oder: dem Wert, den die Welt in dir hinterlassen kann, denn die Leere in dir schreit so laut, dass auch die besten Lügen, Intrigen und Geheimnisse sie nicht verstummen lassen kann.

Flieger
45 Jahre alt
Du hast zu allen dir bekannten und auch den unbekannten Göttern gebetet, als du vor zwanzig Jahren zur Klippe oberhalb des Stonewater Rivers geführt wurdest. Das Wasser strömte schnell und unnachgiebig unter deinen Füßen die Mündung entlang und bevor du dich versehen konntest, entschwand der Boden unter deinen Füßen. Das Gefühl des freien Falls war beängstigend – und befreiend gleichermaßen. Ein Paradoxon, das du in den folgenden Jahren noch mehrere Male durchleben würdest. Bis heute ist es nicht zum Alltag geworden; ist keine Normalität geworden, auf dem Rücken eines Greif durch schwindelerregende Höhen zu schnellen. Hättest nicht gedacht, dass du tatsächlich gebunden werden würdest und stehst doch heute hier, fährst mit den Zeigefingern über das kleine Sonnen-Emblem an deinem Revers und weißt: du bist genau dort, wo du sein musst. Während viele versuchten, ihre Vergangenheit mit der Verpflichtung abzustreifen, hast du sie dir erhalten. Bist noch immer der Junge aus Anca, nur größer, stärker; tödlicher. Weißt mehr, hast mehr gesehen und erlebt, als du damals hättest ermessen können. Bist ein Krieger, Kämpfer und Soldat, obwohl auch nach zwei Jahrzehnten das Töten keine Freude ist. Bereitet dir kein wohliges Gefühl, das Leben aus den Augen anderer weichen zu sehen, weder bei den deinen, noch bei vermeintlichen Feinden. Bist eine sanfte Seele: schon immer gewesen und noch immer. Ebenfalls ein Paradoxon, das vor allem Fremde befällt, wenn sie dich an der Seite deines Gefährten antreffen. Groß, stark und stattlich; sind die perfekten Voraussetzungen für jemanden, durch dessen Hände Schwerter gleiten, obwohl dir viel eher daran gelegen ist, die Hände anderer zu halten, wenn sie dahinscheiden. Du bist ein Mann von Moral und Anstand, einer, der nicht tötet, um des Blutes willen. Einer, der Taktik und Strategie blindem Gemetzel vorzieht. Einer, der die Ruhe im Angesicht des Sturms sucht. Deine Augen sehen so viel mehr als jahrelangen Hass, sehen mehr, als dir mancher Tage lieb ist. Deiner Seele hätte das Leben fernab der Kämpfe sicher gut getan. Hättest ein Baumeister werden können, auf den Feldern helfen, deine Familie unterstützen. Stattdessen erklimmst du die höchsten Klippen der Esben Mountains, fällst im Schutz der Nacht an der Seite deiner Gefährten über Dörfer her, auf der Suche nach dem einzig wahren Schutz, der euch bleibt. Ein auswegloser Kampf – doch irgendwer muss ihn schließlich führen.

Reiter
37 Jahre alt
Ein falscher Name, ein falsches Leben. In deinem Nachruf nennen sie dich Caririon, Sohn der Ganasdir. Geliebter Bruder und geschätzter Staffelführer. Wir werden dich vermissen. In lodernden Flammen geht dein letztes Hab und Gut auf, Malek geopfert. Fühlt sich an wie ein anderes Leben, als wär’s nicht deins. Als wärst es nicht du, der vor so vielen Jahren die navarrianische Flagge gehisst hat. Als wärst es nicht du, der mit wackeligen Knien den Viadukt überquert hat. Als wärst es nicht du, der von einem auf den anderen Moment alles verloren hat. Fühlt sich nicht an, als wäre all das ein Teil von dir und doch sind die Alpträume, die dich seither Nacht für Nacht verfolgen; dir den Schlaf rauben, dich wachhalten und Stunde um Stunde an die Decke starren lassen. Beobachtest, wie die Schatten an den Wänden tanzen, ihre langen, dürren Arme nach dir ausstrecken. Bietest dich der Dunkelheit an, ist eine wohlige Umarmung – die einzige dieser Natur. Malek ist dir näher, als du glaubst. Greift nach dir, bist ihm einmal durch die Finger geglitten und wirst es kein zweites Mal tun.

Große, grüne Schuppen erstrecken sich vor dir, neben dir, unter dir. Gleich, in welche Richtung dein Blick wandert, du siehst nur ihn. Brauchst nicht mehr als das Gefühl, das in dir wächst, wenn du das Flugleder enger schnürst, den Horizont unter deinen Füßen immer kleiner werden siehst. Sie wäre so perfekt, deine kleine Welt, die sich unter euch aufbaut. So perfekt zum Scheitern verurteilt. Ist seit einem Jahrzehnt nicht mehr deine Heimat, die du auf dem Rücken deines Drachen überquerst. Ist nicht mehr deine Heimat, für die du dein Leben riskierst. Ist nicht deine Königin, nicht dein Geschwader und doch – es ist dein Kampf. Der einzige, den es zu kämpfen lohnt. Der einzige, für den sich all der Verzicht lohnt. Die verurteilenden Blicke. Der Hass, der dir begegnet. Bist die Skepsis gewohnt, ist zu deinem ständigen Begleiter geworden, gleich, wohin du gehst. Ist da, wenn du über die Wälder fliegst; ist da, wenn du deine Einkäufe tätigst. Ist da, wenn sengendes Feuer unter dir das Ödland verbrennt. Ein aussichtsloser Kampf, den du führst. Für den du opferst, wen es zu opfern gilt. Manchmal denkst du zurück; zurück an Caririon. Wer du hättest sein können, wäre dieser eine Tag anders verlaufen. Alles wäre anders. Du wärst anders.

Du bist nicht mehr Caririon. Du bist Draigh, Leutnant des Nachtflügelschwarms. Sturmschwinge, 1. Schwadron. Das kleine Abzeichen schimmert an deinem Kragen. Hast hart gearbeitet, um dort zu stehen, wo du’s heute tust. Hast den Zweifeln getrotzt, Bedenken überwunden und deinen Wert bewiesen. Setzt dein Leben im Namen einer Königin ein, die nicht die deine ist. Tust es für deine Mission und das, woran du glaubst. Geht nicht immer konform mit dem, was andere von dir erwarten, doch solange du dein Soll leistest, schaut niemand so genau hin. Niemand fragt, richtet das Wort an dich. Niemand will wissen, welche Geschichte hinter den Narben steckt, die Körper und Seele zieren. Keiner – und du am allerwenigsten.

Fliegerin
23 Jahre alt
Irgendwo dort draußen ist ein Zuhause, das auf dich wartet. Menschen, die dich lieben. Eine Zukunft. Als Kind – da hast du dich in Fantasien wie diese geflüchtet, immer dann, wenn’s zu laut und drängend wurde. Wenn Geschirr an den Wänden zerschellt ist; wenn die dumpfen Geräusche auch durch mehrere Türen zu dir hindurchdrangen. Damals hast du die Decke über den Kopf gezogen. Heute ist nichts mehr übrig von einem Mädchen, das zu den Göttern gebetet hat. Hast keine Träne mehr vergossen, kein Zittern, keine Schwäche mehr erduldet, seit du den Ort, der dir eine Heimat hätte sein sollen, hinter dir gelassen hast. Grenzt an ein Wunder, dass du heute noch lebst. Ist, fragte man dich, Ironie des Schicksals, dass du dich noch immer durch den Tag kämpfen musst. Dass Frieden etwas ist, das du nicht kennst. Nie gekannt hast. Du hast zu früh lernen müssen, Verantwortung für dich zu übernehmen. Dich zu versorgen und dein eigenes Überleben zu sichern. Gab viele wie dich auf den Straßen Kalvenzas, hast damals von deiner unauffälligen Statur profitiert, geschickte Hände und flinke Füße haben dich irgendwie am Leben erhalten. War eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis du im Dreck der Stadt dein Leben lassen würdest. Würdest entweder in einer kalten Winternacht erfrieren, verhungern oder von einem der Stadtwächter oder gar Deinesgleichen zu Tode geprügelt werden. Nichts davon ist eingetreten. Hast es sogar geschafft, zwei lange Jahrzehnte zu überleben, ein Großteil davon auf der Straße, einen weiteren zwischen Heu und Getreide und einem wärmenden Kamin. Fühlt sich an, wie ein ganzes Leben und doch liegt noch so viel mehr vor dir. Hast gehungert, gefroren, gestohlen, gekämpft. Ums Überleben gekämpft. Hast dein Herz geöffnet, dein Vertrauen geteilt und am Ende doch nur wieder allein dagestanden. Du blickst auf eine lange Liste von Fehlschlägen, von gescheiterten Versuchen und verlorener Hoffnung. Hast nicht damit gerechnet, dass du diesen Sprung ins kalte Wasser des Stonewaters wirklich überleben würdest. Hast eher darauf gehofft, dich in die geringe Statistik derer, die es nicht zurück an Land schaffen würden, einzureihen. In den Fluten zu ertrinken, um endlich nicht mehr kämpfen zu müssen. Du bist kein gläubiger Mensch, aber glaubst fest daran, dass Thornak dich jeden Tag aufs Neue fickt. Dort oben, oder unten, oder wo auch immer sie sind, wenn sie existieren, auf dich spuckt und über dich lacht. Naeve, die hat’s schon wieder geschafft. Nur knapp und sicher nicht mit ausreichend Verstand. Trotzdem: du stehst hier. An der Seite eines Greifs, der wenig darauf gibt, ob du dich heut’ wieder im Selbstmitleid suhlst. Ist das erste Mal, dass du gezwungen bist, zuzuhören. Ihm zuzuhören. Dich nicht nur in einem ewigen Kreislauf der Selbstverdammnis einzuschließen. Dein Leben – es fühlt sich an, wie ein Wirbelsturm. Einer, der die Puzzleteile, die dir das Gefühl von Sicherheit bieten, stets auf ein Neues von dir stößt. Dir die nimmt, die dir Vertrauen und Liebe schenken könnten; denen du Vertrauen und Liebe schenken könntest. Manchmal: da kommen sie zu dir zurück. Schauen dich aus großen, verständnisvollen Augen an, die dich so wütend machen. Nicht wütend auf sie. Wütend auf die Welt, die alles tun wird, um sie zu zerstören, so, wie sie dich zerstört hat.

Reiterin
37 Jahre alt
Mit dem Kopf durch die Wand. Gibt wenige Formulierungen in allen Sprachen der Welt, die dein Wesen treffender beschreiben könnten. Hast keine Zeit für Zweifel, fürs Zögern und den Blick nach hinten. Kannst nicht trauern um die Gelegenheiten, die du verpasst hast, nicht um die Menschen, die du nie getroffen hast. Nicht um die Chancen, die du dir nie gegeben hast oder Erfahrungen, die dich in einem anderen Leben zu einer anderen Person gemacht hätten. Die Zeit, sie rinnt dir zwischen den Fingern hindurch, unermüdlich und unaufhaltsam. Du hast dich an dieses Prinzip angepasst, hast das Unausweichliche erkannt und die Notwendigkeit, den Weg zu bereiten. Koste es, was es wolle. In 37 Jahren blickst du auf eine lange Liste Dingen, die du verloren hast und verpassten Möglichkeiten. Deinen Wurzeln entrissen, nennst du eine Stadt deine Heimat, die vor Anonymität und übereifriger Loyalität strotzt. Warst selbst lange Zeit Teil einer Lebenslüge, hast blind vertraut, blind gefolgt – bist blind in den Krieg gestürmt, hast so viel Blut an deiner Klinge, wie kaum jemand. Fühlt sich heute noch an, wie Verrat an deinem Herzen. Als ob’s dich zerreißt, alle Prinzipien und Glaubenssätze, nach denen du so lang gelebt und gekämpft hast: weg. Unter dir zerbröselt wie die Zeit in deinen Händen. Ist noch immer ein unendlich schweres Gewicht auf deinen Schultern. Ein absurdes Gefühl in deiner Brust, wenn du die Ruinen Aretias betrittst und in die Gesichter von Verrätern blickst – so, wie du eine bist.

Hast dich Mal mit Herz und Leib deinem Land verschrieben. Navarre ist deine Heimat, der Ort, an dem du geboren bist und der Ort, an dem man deine Asche Malek darbieten wird. Hättest nie gedacht, deine Treue einmal infrage stellen zu müssen. Dein Schwert für eine andere Sache zu erheben. Ist ein Tanz auf ebendieser Klinge, den du täglich vollführen musst. Bist eigentlich nicht gemacht für Geheimnisse dieser Größe, bist nur ein Rädchen in der großen Maschinerie, willst Befehle ausführen, denn das kannst du. Strategien, Verschwörungen, Revolutionen – das ist eine Nummer zu groß für dich; dachtest du. Bist nun so fest darin verstrickt, dass es keinen Weg hinaus gibt. Kannst nicht mehr umdrehen, dich nicht mehr nur noch blind auf dem Rücken deines Drachen ins Gefecht stürzen. Kannst nicht mehr nicht daran denken, wie verkorkst dein Land und seine Regierung sein muss, um vor den Toren Abertausende willentlich in den Tod zu schicken.

Gibt Tage, da wünscht du dir den Frieden der Unwissenheit zurück. Wünscht dir die Leere in deinem Kopf und deinen Gefühlen zurück. Doch so weit du den Arm auch zu strecken versuchst, du kannst das, was dein Leben einst gezeichnet hat, nicht mehr erreichen. Kannst nicht mehr nur die Schwertkämpferin sein, nicht mehr nur die Frau, die nach tagelangen Einsätzen nicht die Ruhe im Schlaf, sondern in der Nähe eines Ofens sucht. Die mit höchster Präzision das Metall in die Form fließen und in rhythmischen Schlägen den Hammer hinabsausen lässt. Hat alles einen Beigeschmack bekommen. Einen, der dir die Galle aufsteigen lässt, immer dann, wenn du wieder ein Loch in der feinen Mauer aus Lügen erkannt hast. Einen, der neuerdings zu einem ständigen Begleiter geworden ist, jetzt, da du im Zuge einer Verletzung nicht mehr die Flucht jenseits der Mauern suchen kannst, sondern zur körperlichen Genesung zwangsversetzt wurdest. Nach Basgiath – den brodelnden Kessel aller Intrigen und Indoktrination. In die Schmiede. Den wohl wichtigsten Ort in Zeiten wie diesen. Den einzigen Ort, der die Waffen liefern kann, die ihr braucht.

Handwerk
36 Jahre alt
Hinter dir fällt die Tür ins Schloss und alles, was bleibt, ist das Chaos in deinem Kopf. Dreht sich immerzu, das muntere Karussell deiner Gedanken. Wirre Ideen, haltlose Theorien und ein unbändiges Feuer, die großen Mysterien dieser Welt offenzulegen. Nicht zu erforschen; machst dir wiederum keine Illusion, dass der große Intellekt damals wohl an dir vorbeigezogen ist. Dass du nur ein kleines Licht in der Endlosigkeit eures Seins darstellst. Bist gut darin, Worte zu finden, zu bilden, zu formen. Ist dein Metier, das du dir erschlossen hast, ohne wirklich danach gesucht zu haben. Dieses jene eine, in dem du wirklich gut zu sein scheinst - neben der langen Liste an Durchschnittlichkeit, die du sonst vor der Brust trägst. Du lebst ein Leben fernab von Kriegen, Schwertern und Tod. Hast dir die Idylle der Stadt gesucht, die ohnehin schon immer deine Heimat war. Die Stadt mit ihren hohen Türmen, den bunten Häusern und regem Treiben auf den Straßen. Die Stadt, in der du aufgewachsen bist, groß geworden und doch nie so ganz erwachsen. Hast eine kurze Zeit deines Lebens gedacht, mehr zu wollen. Mehr, als Lewellen dir bieten kann, doch: du lagst falsch. Wie so häufig, wie fast immer. Lässt dich davon jedoch nicht abbringen, gehst trotzdem deiner Wege, ganz gleich, wie offensichtlich fehlerhaft sie sein mögen. Setzt dir immer neue Ziele, neue Illusionen, die dich leiten, um dann grandios zu scheitern - oder deine gesamte Welt über deinen Gewinn zu informieren. Deine gesamte Welt hört sich in deinen Gedanken groß an, imposant und farbenfroh, doch wenn’s drauf ankommt, schrumpft sie auf eine, vielleicht zwei Personen zusammen. Schrumpft zusammen auf braune Haare, in denen du gerne deine Hände versinken lässt. Schrumpft zusammen auf bekannte, ruhende Augen, die dir das nötige Maß an Vernunft mitgeben. Dein Leben dreht sich im Kreis und du merkst es nicht, drehst dich stattdessen immer weiter, immer weiter. Siehst die Welt durch die Brille der investigativen Journalistin, die du nicht bist, denn das, was dir das tägliche Abendbrot finanziert, sind bestenfalls drittklassige, langweilige Artikel über die neue Bäckerei oder den aktuellen Stand der größten Baustelle der Provinz, gepresst auf zehn mickrige Zentimeter, irgendwo weit hinten im Leweller Kurier.

Du behauptest stets gern anderes, doch am Ende, da bist du die Fae, die diese Welt braucht. Bist die beste Version deiner Selbst, tust, was von dir verlangt wird, um das Rad am Laufen zu halten. Rebellierst in den dir gegebenen Möglichkeiten, versuchst schon seit 36 Jahren den Sinn deines Lebens zu finden; obwohl der vielleicht schon ewig an deiner Seite steht, dich verschmitzt anlächelt, den Kopf über deine nächste Verschwörungstheorie schüttelt und die Scherben deiner nächsten grandios gescheiterten Beziehung aufkehrt. Du verschwendest keinen Gedanken daran, wie dein Leben funktionieren würde - oder, ob es das überhaupt täte - ohne die Menschen, die dich halten. Ohne deine Familie, deine Eltern, deine Geschwister. Ohne deinen besten Freund. Sie sind die, die dein Leben in Leitplanken weisen. Die, die dich fangen, wenn du fällst. Und du: du fällst oft. Wahlweise über deine eigenen Füße, Worte oder Ambitionen.

Reiterin
49 Jahre alt
Du lebst in Strukturen, in Richtlinien, Maßgaben, Leitplanken. Sie ordnen dein Leben, deine Worte und deine Entscheidungen, dein Denken, dein Handeln und dein ganzes Sein. Sind die kleinen Details, die du suchst. Die Details, auf die es ankommt. Die ausschlaggebend sind, dass dein Pendel in die eine oder andere Richtung ausschlägt. Bist ein Buch mit sieben Siegeln, machst keinen Hehl aus den Werten, die dich leiten. Loyalität ist dein Synonym, ist der Motor für alle deine Taten und der Weg, den du gehst, ganz gleich, welche Kosten er verursacht. Du glaubst so fest an dein Ideal, trotz oder gerade wegen deines Wissens. Dass du heute stehst, wo du stehst - und bist, wer du bist, hast du dir zu verdanken. Hast es dir erarbeitet, all das Vertrauen in dich und deine Fähigkeiten. War kein göttergegebenes Privileg, keine seit Jahrhunderten andauernde Verpflichtung der Königsfamilie gegenüber, die dein Pflichtgefühl nähren würde. Gibt keine lange Ahnenreihe, deren stolze Schöpfe die aus Büchern entgegenrecken, gibt keine von Hause ausgeübte Indoktrination, die dich geformt hätte. Du hast deinen Weg selbst gewählt, Stein um Stein selbst gesetzt, jedes Hindernis überwunden, jeden Zweifel hinter dir gelassen. Geblieben ist eine Form von dir, mit der du selbst am wenigsten gerechnet hättest. Geblieben ist die Frau, deren Moral dehnbar ist. Eine Frage der Situation und Auslegung, aber kein festes Konzept, das Einfluss auf deine Entscheidungen hat.

Die Orden an deinem Revers werfen schimmernd bunte Farben, wenn die Sonne sich in ihnen bricht. Hast eine Menge davon, eine Vielzahl, die dich stolz machen sollte. Sie markieren dich als Mitglied des Nordgeschwaders, als ihre Geschwaderführerin. Kleine Zahlen, Buchstaben und Symbole, die deine Historie von über zwanzig Jahren im navarrianischen Militär bezeugen. Ein stetiges Mahnmal für all deine Taten im Dienste der Krone - im Dienste der Sicherheit deines Landes. Sie zeichnen ein Bild in Farben und Facetten, doch ohne Schattierung. Ohne das, was dich zu der Person macht, die diese Orden tragen darf. Keiner zeigt die Anzahl der Menschen, die durch deine Hand oder dein Wort ihr Leben gegeben haben. Keiner zeigt die Verantwortung, die du trägst, immer dann, wenn du deine Finger vorsichtig an fremder Menschen Schläfen legst und die warme Magie durch deine Fingerspitzen wabern spürst. Keiner zeigt die Schuld, die du über Jahrzehnte angehäuft hast. Sie alle zeigen nur das Beste von dir, während du nur im Innern mit dem Schlimmsten kämpfen musst.

Du glaubst an den Wert all der Taten und daran, dass es sich irgendwann einmal lohnen wird. Bist fest verankert im System, das dich als leitende Hand auserkoren hat. Du kennst all die Geheimnisse, all die verschleierten Wahrheiten und geschwärzten Dokumente. Kennst die Schwierigkeiten und Herausforderungen, womit das schwächelnde Konstrukt zu kämpfen hat, kennst die Feinde von innen und von außen. War eine einfache Rechnung, die es brauchte, um zu erkennen, wohin dein Pendel würde schlagen müssen, um nicht mehr als das Überleben eines Reiches sicherzustellen. Sicherheit gegen Grausamkeit - du bist bereit, diesen Handel zu tragen und zu schützen, wo immer es nötig ist. Bist bereit, deinen Teil beizutragen und, wenn nötig, selbst Hand anzulegen. Generationen haben vor dir ihr Bestes gegeben, ihr Land und all die Menschen, die ihnen untergeben sind, vor dem Untergang zu bewahren. Du reihst dich in diese Pflicht ein, hast sie für dich angenommen und akzeptiert, bis heute nur einige wenige Male hinterfragt und doch den richtigen Pfad gewählt.

Flieger
52 Jahre alt
Macht ist Pflicht – Freiheit ist Verantwortlichkeit. Schwer wiegen die Worte auf deinen Schultern, zeichnen sich ab durch Kreise und Kringel, geschmiedet im Feuer, versiegelt und eingenäht in deine Uniform. Ist Teil deiner Identität, Teil deines ganzen Seins und doch stellst du dir nicht heute, nicht gestern, das erste Mal die Frage danach, Wer du bist – abseits des Namens, des Rangs, der Blicke und Worte, die dich bestenfalls nur streifen, schlimmstenfalls öffentlich tangieren. Nach den Sternen zu greifen und eines Tages mehr zu sein als ein weiterer Name auf unzählig vielen Listen; das war das Geschenk, das man dir machen wollte, als du in die Reihen der Aerandors geboren wurdest. Eines, nach dem du nie gefragt, das du aber ohne jeden Zweifel damals und für immer angenommen und akzeptiert hast. Helle Punkte am Firmament führen dich, sind dir Kompass in allen unsteten Zeiten, die über dich hereinbrechen. Werden begleitet von Ideen, Illusionen und Irrungen, die deine Umgebung in gleißend bunte Farben hüllen; die dir eine Vorstellung davon geben, was es – was andere – brauchen, wollen, wünschen. Du weißt, was sie antreibt, was die tiefliegende Motivation und der Wunsch ist, der sie alle durch die Tage trägt. Hattest stets ein Auge für deine Umgebung, lang, bevor du die Magie als Teil deines Lebens akzeptiert hast. Hat sich ergänzt zu strategischem Geschick, zu einem mittelmäßig angeborenen, aber unter harter Arbeit geformten Intellekt, der dir heute in jeder Lebenslage beisteht. Erfahrungen haben dich geformt und zu dem Mann gemacht, der du bist. Die guten, aber nicht zuletzt die schlechten, haben dich gestärkt, haben dir den Weg geebnet, den insbesondere dein Vater dir vorgedacht hatte, gleich, welche Ambition Du eigentlich gehabt hättest. Am Ende führten sie alle zu einem Ergebnis: einem neuen Wort, neuen Kreisen und Kringeln, im Feuer geschmiedet und als Aufnäher deinem Flugleder zu entnehmen: der Stern markiert dich als Commanding General, als Oberbefehlshaber – und als womöglich beste und schlechteste Entscheidung, die man in unruhigen Zeiten wie diesen hätte treffen können. Hast über Jahre genauso viele Unterstützer:innen wie Kritiker:innen deiner Person gesammelt, nicht nur den Kampf im Gefecht gesucht, sondern längst in der Politik gefunden. Kriege werden nicht an der Front entschieden; diese Lehre hast du ziehen müssen, lang bevor dein neues Abzeichen seinen Weg zu dir gefunden hat. Kriege ziehen sich durch jede Gesellschaftsschicht, finden ihre Anhänger im Volk, ihre Finanziers in der Mitte und Oberschicht, werden diskutiert und debattiert von Menschen, die kein Schwert und Schild führen. Krieg, so weißt du, ist so viel mehr als Blut, Stahl und Schweiß.Du hast (d)ein Leben gegeben, viele, ja, unzählige Male. Minuten, Stunden, Wochen, Monate und Jahre getränkt in deiner Aufopferung, in deinem schier unermesslichen Willen, deinen Dienst zu leisten. Warst nie nur bloßer Fußsoldat, so wenig du dir darauf einbildest. Zu laut, zu schwer der Einfluss eines Mannes, der noch heute seine Finger nach dir streckt. Zu wenig hast du Erwartungen entsprochen, zu viel hast du verhandelt, statt in blinder Wut und übereifrigem Stolz um dich zu schlagen. Ein halbes Jahrhundert war dir ein besserer Lehrmeister. Einer, der dir dazu verholfen hat, nicht nur zu überleben. Nicht nur aus jedem Kampf, der die Esben Mountains erfasst, lebend, sondern besser zurückzukehren. Keinen Fehler zweimal zu begehen. Bist weit entfernt von perfekt, noch weiter von einem Ideal, das man deiner Rolle so gerne auf den Leib schneidern würde. Du irrst, scheiterst, versagst, zweifelst, glaubst und glaubst doch nicht. Bist so menschlich, nahbar. Vielleicht ist es das, was dich letztlich dorthin geführt hat, wo du nie dachtest, zu stehen. Weit über den Fußstapfen, den missbilligenden Worten und Gesten, dem Gefühl von Unzulänglichkeit, das nicht nur, aber dort besonders laut, aus deinen eigenen Reihen entspringt. Vielleicht ist es dein Menschsein, das dieses Land in unmenschlichen Zeiten braucht. Vielleicht wirst du scheitern, stürzen, in deinem eigenen Blut an deinen Idealen ersticken.

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content by berrie & sophie • based on "the empyrean"-series by Rebecca Yarros